
Einen wunderschönen 1. Adventsonntag, wünsche ich euch allen. Ich habe heute für euch eine uralte Kurzgeschichte von mir. Viel Spaß damit. Bis Weihnachten werde ich euch jeden Sonntag mit einer Geschichte beglücken und euch hoffentlich eine kleine Freude damit machen. Weihnachtlich sind sie leider nicht wirklich.
Der Reisende
Geschichte durch den Fadenzähler zu betrachten, ist eine eigenartige Vorgehensweise. Doch für Silvio Rosenquarz war es das normalste der Welt. Er landete mit seinem an Messing erinnernden Zeitfaltungswürfel in einer historischen Umgebung, entnahm ihr Zeit-, Luft-, Gesteins-, Erd- und Menschenproben. Damit kehrte er normalerweise in sein Labor zurück und begann seine Untersuchungen unter dem Mikroskop. Er zählte die Zeit der Zeitproben und untersuchte alles genauestens. Silvio war ein penibler Forscher, der keine Fehler duldete.
Doch diesmal war es etwas anders.
Wieder einmal hatte er die Maschine gestartet, alle Vorbereitungen waren getroffen. Er hatte das schon so oft gemacht und immer hatte alles wie am Schnürchen funktioniert. Nur diesmal war ihm seine eigene Ungeduld in die Quere gekommen. Er hatte den Zylinder mit den Rückflugdaten neben der Einstiegsluke im Abflugbereich liegen gelassen. Das wurde ihm erst bewusst, als er seine Assistentin hektisch damit wedeln sah. Noch bevor er reagieren konnte, war er in der Zeit zurückgesprungen und er bemerkte eine weitere fehlende Nebensächlichkeit, die sich auf den folgenden Verlauf der Reise verheerend auswirken konnte. Silvio rümpfte die Nase und schimpfte vor sich hin, während er versuchte, die Maschine auf Kurs zu halten und wenigstens in der richtigen Zeit zu landen.
„Dreimal verfluchte Michaelis!“, brüllte er, als er schließlich das ganze Ausmaß der Miesere erkannte. „Wenigstens hat sie so viel Verstand bewiesen und die Zielkoordinaten richtig eingegeben.“
Mehrere Bauern standen mit offenen Mündern um den in allen Farben schillernden Würfel. Es kam ihnen vor, als wäre Marduk persönlich erschienen. Suchend und ängstlich blickten sie sich um, denn der Gott zeigte sich nie ohne seinen Drachen. Da tat sich eine Tür auf, Rauch drang heraus und sie hörten jemanden mit fremder Zunge brüllen.
Sie sahen eine große, schmale Gestalt in glänzender Hülle. Das Wesen schien aus Silber zu bestehen, war von Kopf bis Fuß damit bedeckt. Nur das Gesicht und die Hände waren frei. Vor Schreck warfen sich die Bauern zu Boden und bedeckten ihre Köpfe mit den Händen. Marduk war dem Drachen entstiegen!
„Verdammter Scheißdreck“, fluchte Silvio, gab der Maschine einen abschließenden Tritt und stapfte an den Leuten vorbei. „Das Ding wieder einigermaßen flugtauglich zu machen, wird ein ganzes Leben dauern, da kann ich die Geschichte auch gleich vor Ort studieren.“
Er beschattete die Augen mit der Hand und betrachtete das Land. Es war grün und in der Ferne konnte er die Flüsse als schimmernde Bänder erkennen, die das Land so fruchtbar machten. Etwas weiter hinten erstreckte sich eine Bergkette.
„Nun denn“, sagte er sich, klatschte aufmunternd in die Hände und schritt auf das Dorf zu, dessen Bewohner er in Angst und Schrecken versetzt hatte.

Diese Geschichte ist aufgrund einer Challenge entstanden. Es wurden Wörter vorgegeben, darunter der Fadenzähler, daraus mussten wir eine sinnvolle Geschichte schreiben.
Ich wünsche euch eine schöne Adventzeit, bis zum 2. Adventsonntag.