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Stilmittel Teil 5

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Es ist schon eine Weile her, dass ich diese Reihe begonnen habe und längst wieder an der Zeit, sie fortzuführen.

In diesem Beitrag widme ich mich Bekanntem und weniger Bekanntem, das bei näherer Betrachtung gar nicht so selten verwendet wird, wie man dem Namen nach vermutet.

  • Symbol
  • Synästhesie
  • Onomatopoesie
  • Litotes
  • Asyndeton
  • Chiasmus
Bild von Pixabay

Da sind einige nette Wörter dabei, doch keine Angst, dahinter stehen einfache Dinge, die ich im Folgenden erklären und mit Beispielen würzen werde.

Symbol

Der Begriff kennt jeder, es wird auch in Bildern dargestellt und gibt es als synonyme Wörter bzw. Wortgruppen, deren Bedeutung auf den ersten Blick nichts mit dem Gemeinten zu tun hat.

Als Symbol wird die vereinfachte und stellvertretende Darstellung eines Objekts oder Sachverhalts bezeichnet, die allerdings keinen Rückschluss auf das Gemeinte liefern muss. Um verstanden zu werden, muss dem Leser die Bedeutung des Symbols bekannt sein.

Beispiele:

Leonie war niedergeschlagen. Mit gesenktem Blick stapfte sie über die Wiese. Von überallher reckten sich die vierblättrigen Kleeblätter in ihre Richtung, aber sie übersah die satten grünen Pflanzen, die auf sich aufmerksam machen wollten.

(Es geht um Glück)

Gestern hatten wir die weiße Taube losgeschickt, um so dem König des Golonischen Reichs zum Verhandeln zu zwingen. Bislang ist noch keine Antwort eingetrudelt, allerdings halten auch seine Angriffsreihen die Stellung und bewegen sich nicht weiter.

(Frieden)

Der Wettbewerb verlief für die Schüler der dritten Klasse sehr gut, sie hatten fünf Medaillen errungen.

(Sieg)

Man kann natürlich seine eigene Symbolik entwickeln, die sich immer wiederholt und so dem Leser verständlich wird. Auf jeden Fall darf es nicht zu abstrakt sein, was gemeint ist.

Manche Symbole werden immer wieder aufgegriffen wie die blaue Blume (die gibt es übrigens auch bei Shrek, fällt mir gerade ein: Blaue Blume, rote Dornen.) steht für Sehnsucht.

Aber auch der Odem bzw. Atem, der für das Leben steht.

Ihr seht, man kann schon einiges mit Symbolen bewirken. Aber es muss zum jeweiligen Text passen. Leichter ist es natürlich, wenn man bereits bekannte Symbole verwendet, wie in den Beispielen davor.

Sein Blick richtete sich auf die Sterne, die Weite des Alls und versank darin. Er glaubte, niemals wieder so frei zu sein, denn schon jetzt spürte er, wie der Wald nach ihm rief. Doch er wusste, eines Tages, würde er wieder zu den Sternen schauen.

Ich habe hier zwei Symbole erschaffen, einerseits die Sterne für die Freiheit und den Wald für das Bodenständige.

Synästhesie

In der Literaturwissenschaft bezeichnet Synästhesie die Vermischung zweier oder mehrerer Sinneseindrücke. Der Schriftsteller beschreibt dann z. B.

  • Geruchs- und Sehsinn
  • Riechen, sehen, schmecken
  • Tast- und Sehsinn

Das Verbinden mehrerer Sinneseindrücke, kann die Bedeutung erhöhen und vermittelt dem sonst Gegenständlichem etwas Sinnliches, verfrachtet es sozusagen auf die Gefühlsebene.

Wie leises Glockenklingen drang ihre Stimme an sein Ohr, es war der zarte Windhauch, der ihn streichelte, liebkoste und aus der Irre führte.

Hier habe ich den Hör- und Tastsinn in den Beispielsatz eingebaut.

Synästhesien gibt es aber auch in der Alltagssprache: schreiendes Rot, warme Farben, dunkle Töne

Onomatopoesie

Darunter bezeichnet man die sprachliche Nachahmung von Schallereignissen. Besser bekannt auch unter Lautmalerei, Klangmalerei, Lautnachmachung …

Bekannt sind 3 Arten:

  • Wortbildungen: Ein Wort, das in seinem Klang an das Gemeinte erinnert und lassen sich einer Wortart zuordnen. z. B. Kuckuck, krachen, knistern, knacken, ticken, …
  • Interjektionen: Es sind Einwürfe oder Ausrufe, die Laute nachahmen und lassen sich keiner Wortart zuordnen. Häufig kommen sie in Comics zum Einsatz. z. B. wumms, peng, krach. Oder sie bilden Tierlaute nach, die keiner Wortart zuzuordnen sind: mäh, wau, miau
  • Umschreibungen: Es handelt sich dabei um Wörter, die einen Laut beschreiben und nicht danach klingen. Sie können verschiedenen Wortarten angehören und auch Gruppen bilden. z. B. trompeten (Verb), metallisch klingen (Adjektiv+Verb), flöten,

Onomatopoesie hat auch in den Alltag Einzug gehalten:

Die Blätter rascheln. Die Kinder kichern. Die Reifen quietschen. Das Publikum klatscht.

Sämtliche Tierlaute.

Das Geheimnis herausposaunen.

Litotes

Hier geht es um die doppelte Verneinung, um eine Aussage abzuschwächen oder etwas ironisch auszudrücken. Man kann aber auch etwas hervorheben oder eine Kritik hübscher gestalten.

Verwendet wird es mit der doppelten Verneinung:

  • Sie hat damit nicht unrecht.
  • Das Kleid ist nicht unschön.
  • Etwas ist nicht ohne Witz.
  • Verneinung des Gegenteils:
  • Sie hat nicht wenig verdient.
  • Er sieht nicht übel aus.
  • Er ist kein übler Typ.

Ganz bekannt ist der Ausspruch: The Queen is not amused. – Da weiß jeder, dass die Königin verärgert ist, es ist nur hübscher verpackt.

Der falsche Litotes wird in verschiedenen Sprachen verwendet, z. B. in der bayrischen Mundart, und stellt eine Bekräftigung der Verneinung dar.

Des ham ma nia ned gmocht. (Das haben wir nie nicht gemacht.)

Es geht aber auch anders, ohne direkt die Verneinung zu benutzen, indem man eine Aussage abschwächt oder hervorhebt.

Terry Pratchett soll ganz witzig geschrieben haben, habe ich gehört. (Hier betont man, dass man den Schriftsteller für einen Verfasser sehr lustiger Werke hält.)

Da hast du dir eine nette Karre zugelegt. (Wenn man von etwas beeindruckt ist, es aber nicht sagen möchte.)

Asyndeton

Dabei handelt es sich um eine Aneinanderreihung von Satzteilen, die nur durch ein Komma bzw. einen Punkt miteinander verbunden sind. Ich kam, ich sah, ich siegte.

Man kann das Asyndeton in allen Genres verwenden, um eine Stimmung zu steuern, das Tempo zu erhöhen oder etwas hervorzuheben. Auch der Blickwinkel lässt sich so bei Beschreibungen gut darstellen.

Beispiel:

Sie betrat den Raum, sah Sofa, Bilder, Bücherschrank an einer Wand, gegenüber das Fenster, die geschlossenen Vorhänge. Alles wirkte düster.

Häufig wird das Asyndeton auch in der Werbung eingesetzt:

Rittersport. Quadratisch. Praktisch. Gut.

Damit es nicht zu einfach wird, gibt es verschiedene Arten des Asyndetons:

  • Asyndeton adversativum: Zwei Aufzählungen werden einander gegenübergestellt. Zu Fuß, mit Bus, mit Bahn ist es umweltfreundlicher zu reisen als mit Auto, Flugzeug, Fähre.
  • Asyndeton consecutivum: Hier folgt eine Schlussfolgerung am Ende der Aufzählung. Wer, wie, was, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm.
  • Asyndeton enumerativum oder unzählbare Aufzählung, sie kann weitergeführt werden. Alle Menschen, arm, reich, dick, dünn, groß, klein, klug, dumm sollen gleich behandelt werden.
  • Asyndeton explicativum, erklärt etwas. Marienkäfer, Borkenkäfer, Hummeln, Fliegen gehören zu den Insekten.
  • Asyndeton summativum. Das Asyndeton wird durch ein Ergebnis zusammengefasst. Nichts macht glücklicher, lebendiger, freudiger, strahlender als die Liebe.

Das Gegenteil zum Asyndeton ist das Polysyndeton. Hier wird die Aufzählung durch ein Bindewort miteinander verbunden.

Er lief und hetzte und flitzte und sprang.

Der Fokus liegt auf dem Rennen, trotzdem ist das Tempo verlangsamt.

Chiasmus

Dieses Stilmittel wird häufig in der Lyrik eingesetzt. Es werden gleichwertige Wörter, Teilsätze oder Sätze in unmittelbarer Abfolge kreuzweise entgegengesetzt angeordnet. Das bedeutet, dass der Chiasmus die beinahe spiegelbildliche Anordnung eines dieser Elemente im darauffolgenden Abschnitt beschreibt.

Der Chiasmus wird oft genutzt, um gegensätzliche Behauptungen hervorzuheben. Sie kommen in der Kreuzstellung der jeweiligen Satzbestandteile noch deutlicher zum Vorschein. Die Antithese ist nicht zwingend erforderlich, sondern kann durch den Chiasmus nur verstärkt werden.

Folglich hat der Chiasmus eine verstärkende Wirkung auf das Gesagte oder Geschriebene, da durch die Wiederholung die eigentliche Aussage in den Vordergrund rückt.

Um diese komplizierte Beschreibung zu verdeutlichen, Beispiele:

  • Oh Gott! Die Kunst ist lang und kurz ist unser Leben. (aus Faust, J. W. von Goethe)
  • Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen. (Karl Marx)
  • Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit. (Wallenstein, F. Schiller)
  • Der Einsatz war groß, klein war der Gewinn.
  • Der Last war schwer, gering war die Entlohnung.

Noch eine Anmerkung zum Schluss des langen Beitrags:

Stilmittel sind eine Würze. Setzt sie wohldosiert ein, dann wird das Gericht auch köstlich und dem Leser Freude bereiten. Und euch auch.

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Pressearbeit – Pressebericht

Das Buch ist fertig!
Juhu!!!
Es ist im Handel zu haben!
Die Freude ist riesengroß!

Bild von Hands off my tags! Michael Gaida auf Pixabay 

Aber, um die Reichweite zu erhöhen, könnte man ja auch damit in die Zeitung kommen. Wie schön ist es, sich und sein Werk in den Medien zu sehen. Wie stellt man es an, um es bis dorthin zu schaffen? Das ist oft wirklich die große Frage. Ich habe mich das auch gefragt und das Internet durchforstet. Danach bin ich handgreiflich geworden und hab mein Smartphone und auch die Redakteure mit meinen Anrufen malträtiert.

Wie ich das gemacht habe und was ich bei einem Workshop noch dazu gelernt habe – um nicht ganz als lästiges Insekt zu gelten – habe ich in diesem Beitrag zusammengefasst.

Die Schritte bis zum Interview

  • Zeitungen suchen, die zum Buch passen. Regionalmedien gehen immer, weil sie gern über Geschehnisse und Personen aus der Region berichten. Bei einem Reisebericht eignen sich Reisemagazine, bei einem Ratgeber für irgendwelche Krankheiten auch Ärzte- oder Pflegezeitschriften, ein Buch über bestimmte Sportarten schreit doch nach einem Sportmagazin.
  • Impressum durchforsten und sich die richtigen Ansprechpartner heraussuchen.
  • Pressebericht schreiben oder anrufen. Anrufen ist eine Alternative, aber es kann sein, dass man gar nichts erreicht.

Einige dieser Punkte beleuchte ich auch in diesem Artikel, den ich für den Blog von Mymorawa geschrieben habe: Wie komme ich als SelfpublisherIn in die Zeitung

In diesem Blogbeitrag werde ich mich näher mit dem Pressebericht beschäftigen. Das ist dann doch noch eine etwas kniffligere Sache, weil es ein paar Dinge zu beachten gibt, die man wissen sollte, ehe man sich an dieses Wagnis heranmacht. Der/die zuständige Redakteur/in soll die Mail ja nicht in den Spamordner verschieben, sondern lesen.

Vor einiger Zeit habe ich einen Workshop von Mymorawa besucht und einiges darüber erfahren und gelernt, was ich euch nicht vorenthalten möchte.

Die ersten Punkte sind gleich wie oben.

Bei der Auswahl der Medien gibt es noch den Erscheinungstermin zu beachten. Es lohnt sich kaum, ein, zwei Tage vor Redaktionsschluss anzurufen oder eine E-Mail zu schreiben, weil das im Redaktionsstress untergehen würde. Also gilt es, auch darauf zu achten, um nicht unnötig Stress zu verursachen. Wenn die Zeitung mittwochs erscheint, bietet es sich an am Donnerstag oder Freitag die E-Mail zu verschicken oder dort anzurufen.

Man kann auch auf Onlineportale bzw. -ausgabe dieser Zeitungen bauen, denn das gibt es schon bei fast allen auflagenstarken Zeitungen und Zeitschriften.

Fast jede Zeitung hat einen Kulturteil. Es lohnt sich, nach dem zuständigen Redakteur/Redakteurin zu forschen und diese persönlich anzuschreiben.

Nun zum Pressebericht

Bild von Here and now, unfortunately, ends my journey on Pixabay auf Pixabay 

Die Zeitungen sind ausgewählt, E-Mail-Adressen, Namen und Telefonnummern liegen bereit.

Jetzt muss man überlegen, ob man lieber anruft oder schreibt. Da kommt es auf die eigene Persönlichkeit an und ob man schon vorher Kontakt mit den Medienmenschen hatte.

Anschreiben geht aber immer, das kann man auch nach einem Telefonat noch erledigen und darauf Bezug nehmen. Ob Anruf oder Schreiben, auf den Redaktionsschluss ist hier zu achten.

Was man sich unbedingt vorher überlegen muss und ins Anschreiben bzw. das Telefonat gehört:

  • Gibt es Rezensionsexemplare für den Redakteur? Wenn ja, unbedingt zukommen lassen! Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.
  • Ist eine Lesung geplant. Auch das muss erwähnt werden.
  • Gratisbücher für ein mögliches Gewinnspiel anbieten.

Wie schaut so ein Bericht aus? Welchen Inhalt muss er bieten?

Auf jeden Fall muss es eine NEUIGKEIT sein. Ein Buch, das bereits seit einem Jahr auf dem Markt ist, lockt keinen mehr hinter dem Ofen hervor, so hart es klingt und so schade es in manchem Fall ist. Aber, wenn in diesem Zusammenhang etwas geschieht, dann ist es wieder neu – eine Lesung zum Beispiel oder das Buch zu einer anderen Präsentation oder Feierlichkeit passt und man dort dabei ist.

  • Kurz und präzise, nicht länger als eineinhalb Seiten (Ihr seht, ich hab den 500 Seiten starken Roman auf eine praktische Seite gepackt). Warum so kurz? Redakteure/Redakteurinnen haben wenig Zeit. Deshalb lohnt es sich, wenn man sich auf das Wesentliche beschränkt.
  • Zuerst ist die Überschrift/Headline – Hier steht schon, worum es geht, nicht mehr als ein, zwei Sätze und möglichst sachlich, aber interessant halten.
  • Vorspann/Teaser – hier heizt man die Neugier etwas mehr an.
  • Hauptteil – Der Inhalt abseits des Klappentextes, also es darf etwas mehr sein als das und bitte anders, denn den Klappentext zu kopieren, wäre doch etwas arg einfach.
  • Abschließende Informationen zum Erwerb (Preis, wo ist es zu kaufen, ISBN, Verlag) und zum Autor/zur Autorin
  • Kontaktdaten und Informationen zu weiteren Anhängen (die gehören auch ins Anschreiben).

Das hört sich jetzt ganz einfach an, ist es in der Regel auch.

Hier könnt ihr das obige Beispiel ohne Pfeilchen und Markierungen herunterladen, das ich für meinen aktuellen Roman geschrieben habe:

Das Anschreiben

Das finde ich für mich immer noch am furchtbarsten, weil ich eher der Typ bin, der anruft. Aber manchmal geht es nicht anders.

Hat man vorher schon telefoniert und kennt den Namen, dann gleich persönlich ansprechen und unbedingt Bezug auf das Telefonat nehmen, das vielleicht gleich in den Betreff schreiben. Danach nur kurz, worum es geht und was sich in den Anhängen befindet (Bilder – bitte mit Dateinamen, die ersichtlich machen, worum es geht, den Pressebericht, ev. eine Leseprobe von max. 5 Seiten). Ein Autorenportrait und ein Bild des Buchs oder beides kombiniert, in Originalgröße und als Bilddatei. Am besten ist es, man verwendet ein gängiges Format oder erkundigt sich telefonisch bei dem jeweiligen Redakteur.

Ins Anschreiben gehört auch, dass man Rezensionsexemplare hat oder Freiexemplare für ein Gewinnspiel anbieten kann, auch sonstige Goodies darf man hier gern erwähnen. Vielleicht ist der/die Redakteur/in ja eine Leseratte und freut sich dann ganz besonders über die kleine Aufmerksamkeit.

Ganz, ganz wichtig! Sowohl beim Anschreiben als auch beim Pressebericht auf Fehlerfreiheit achten!

Jetzt kommt das Schönste – DER BERICHT ERSCHEINT IN DER ZEITUNG!

Juhu!

Die Freude ist groß! (kopieren, ausschneiden, fotografieren und aufheben – ich mach das immer so, weil ich mich sooo darüber freue)

Und weil die Freude so groß ist, darf man auch nicht vergessen, sich bei dem/der Redakteur/in für den netten Bericht zu bedanken.

Wenn es sich bei dem Pressebericht um die Ankündigung einer Lesung oder Präsentation gehandelt hat, dann darf man auch ein paar Informationen über den Ablauf der Veranstaltung dort lassen. Vielleicht ergibt das ja einen neuen Bericht.

Versuch macht klug und kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.

Und hier habe ich noch ein paar Links für euch, die vielleicht nützlich sind:

Medienliste Deutschland Wikipedia

Medienliste Österreich

Medienliste Österreich Wikipedia

Viel Spaß und viel Erfolg beim Gang zu den Medien!

Mary Sue, Gary Stu und die Gefahren der Figurenentwicklung

Die Figurenentwicklung scheint so einfach zu sein, aber sie birgt doch die eine oder andere Gefahr, zu sehr in Stereotypen zu denken und sie auch so zu entwickeln.

perfekte figuren
Bild von H. K. Ysardsson

Wikipedia erklärt es folgendermaßen:

Eine Mary Sue ist eine idealisierte und vermeintlich perfekte Kunstfigur. Diese Figur wird oft als Wunschvorstellung des Autors wahrgenommen. Üblicherweise kann sie Aufgaben erheblich leichter bewältigen als vergleichbare Figuren mit ähnlicher Ausbildung und Erfahrung. Die Bezeichnung wird oft für beide Geschlechter benutzt, zeitgleich existieren aber auch die männlichen Varianten Marty Sue und Gary Stu.

Seit den 1970er Jahren hat sich der Begriff Mary Sue bzw. Gary Stu für diese Superfiguren etabliert. Eine Figur einer Star Trek Fanfiction von Paula Smith war Namensgeberin dafür.

Diese Art der Figuren werden von allen gemocht, können alles, sehen supergut aus, sind jung, erfolgreich und überhaupt die ultimativen Helden. Diese Kunstfiguren werden von den Lesern oft als unrealistisch und langweilig wahrgenommen.

Es empfiehlt sich also, bei der Figurenentwicklung auf diese Dinge zu achten.

Bevor man sich an die Charaktererstellung macht, steht die Idee zu einer Geschichte. Die Geschichte braucht Protagonisten und eine/mehrere Hauptpersonen, die der Idee angepasst sein sollen.

Charakter hat Charakter

Es genügt, wenn man sich am Anfang nur über grobe Dinge im Klaren ist, später sollte die Figur allerdings etwas mehr als nur überragende Eigenschaften haben.

Der Autor sollte die Figuren gut kennen, selbst dann, wenn im Roman nicht so viel davon auftaucht. In folgender Liste habe ich einige wichtige Punkte angeführt, die man wissen muss, abgesehen vom Namen.

    • Geschlecht
    • Alter
    • Beruf
    • Charaktereigenschaften positive und negative
    • Gewohnheiten z. B. bestimmte Gesten oder Sprechweisen
    • Familie à sie können Nebencharaktere werden
    • Freunde, Bekannte, Kollegen
    • Aussehen (das muss im Roman nicht einmal alles beschrieben werden)
    • wenn es für die Handlung relevant ist, die sexuelle Ausrichtung
    • Wohnort
    • wenn es für die Handlung wichtig ist, der Glaube, die politische Gesinnung
    • Fähigkeiten, wie z. B. reiten, fechten, malen, Verkaufstalent, Magie …
    • Sprache – Muttersprache, Fremdsprachen, ev. Sprachfehler

Wer mag, kann sich einen Charakterbogen erstellen, sonst tut es auch ein Notizzettel.

Bild von H. K. Ysardsson

 

Hier habe ich einen Charakterbogen zum Download.


Natürlich gibt es im Internet noch zahlreiche andere Varianten zu finden, man kann sich aussuchen, was für einen persönlich am besten passt. Man muss nur aufpassen, dass man es nicht zu sehr mit Rollenspiel-Charakterbögen vermischt.

Um sich realistische Eigenschaften für die Figur auszusuchen, kann man sich echter Menschen bedienen, indem man diese beobachtet und Handlungen, Gesten, Mimik, Sprechweise und verschiedene Charaktermerkmale abschaut. Dabei muss man nur aufpassen, dass man diese Person nicht kopiert, besonders, wenn es sich um Leute aus dem eigenen Familien-/Freundes- oder Bekanntenkreis handelt, könnte sich jemand angestoßen fühlen. Hier ist etwas Feingefühl nötig und man schaut sich vielleicht nur an, wie diese Person redet, von der nächsten nimmt man die typische Handbewegung und vom nächsten ein paar Charaktereigenschaften. Auf jeden Fall ist es wichtig, andere Menschen zu beobachten. Beobachtung ist wichtig, um später im Roman und vorher bei der Charaktererstellung eine genaue Kenntnis menschlichen Verhaltens zu haben. Alltagssituationen sind am wichtigsten. In Ausnahmesituationen verhalten wir uns alle anders als normalerweise.

Am Ende des Beitrags gebe ich ein Beispiel, wie ich einen Charakter erstelle.

Nomen est Omen

name
Bild von H. K. Ysardsson

Der Charakter braucht noch einen Namen. Wohlklingende Namen sind immer gut. Aber sie müssen zur Umgebung passen, zum sozialen Umfeld und auch sonst stimmig sein. Wenn die liebe kleine Susi plötzlich zu einem männerreißenden Vamp wird, kann Susi schon etwas unglücklich wirken, außer sie nutzt diese Harmlosigkeit als Deckung für ihre Machenschaften.

Passende Namen zu finden, ist oft gar nicht so einfach. Im Internet gibt es zahlreiche Seiten mit Namensvorschlägen. Babyseiten sind da sehr hilfreich oder wenn man sich mehr in Sci-Fi und Fantasy herumtreibt, die entsprechenden Namensgeneratoren.

 

Wenn die Figur z. B. eine Afrikanerin ist, kommt es seltsam, wenn sie einen deutschen oder englischen Namen hat. Das müsste sich dann erst wieder aus der Biografie ergeben, z. B. Nachfahren irgendwelcher Kolonisten, sonst macht das wenig Sinn und die Figur wird unglaubhaft. Außer, es handelt sich dabei um eine Nordafrikanerin aus einer ehemaligen französischen Kolonie und die Dame hat einen französischen Namen.

Namen erzeugen unter Umständen Vorurteile. Jeder hat andere Vorstellungen zu einem Namen. Chantalle und Kevin sind zum Beispiel solche. Dann gibt es negativ behaftete Namen wie z. B. Adolf.

Die Protagonisten wollen aber auch einen Nachnamen.

Abgesehen von Fantasy und gewissen historischen Romanen ist ein Nachname empfehlenswert, wenn nicht sogar erwünscht, damit es zur Geschichte passt.

Auch bei den Nachnamen gilt das gleiche wie bei den Vornamen, und beide Namen sollten zusammenpassen. Chantalle Magermeier ist irgendwie – unpassend, wenn es schon eine Chantalle sein soll.

Man kann den Namen auch nach seiner Bedeutung auswählen, denn viele Namen haben eine Bedeutung, die in der Geschichte durchaus einen Sinn machen kann. Allerdings werden das nicht alle Leser wissen, wenn sie der Autor nicht auf die Spur bringt. Sonst ist das vielleicht eher für die Charaktererstellung relevant, um für sich bereits Eigenschaften festzulegen, die die Figur haben soll.

Ebenso kann man auch nach dem Klang auswählen. Manche Namen klingen wie Glöckchen, während andere mit einem dumpfen Poltern auf dem Boden landen.

Hier sind einige Links:
familie.de
babelli
vorname.com
beliebte Vornamen international
häufigste Familiennamen in Deutschland
Fantasynamensgenerator

 

Vergangenes und Prägendes

Der Charakter erscheint in der Geschichte nicht aus dem Nichts. Er braucht eine Vergangenheit, eine Biografie, Eltern, Geschwister, ein familiäres Umfeld, einen Beruf, Hobbys, einen Wohnort … Alles das, was jeder Mensch ebenfalls hat.

Die Vergangenheit prägt die Figur und sorgt dafür, dass sie die wird, die sie am Anfang des Romans ist. Stell dir einfach vor, wie sie aufgewachsen ist, male dir die Jugend aus (falls es kein Jugendroman ist) oder die Kindheit – die Schulzeit, einfach alles, was dazugehört. Das muss später nicht in den Roman einfließen, aber du lernst deine Figur kennen und kannst ihr so einige Ecken und Kanten verpassen, die durch die Vergangenheit entstanden sind.

Scheidungen gehören auch dazu, wie alle Verluste und Gewinne.

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Jedoch sollte man auch hier bedenken, dass die Figur nicht stereotyp bleibt. Nichts ist langweiliger als eine Romanfigur, die es bereits tausendfach oder noch öfter gibt, wie das schüchterne und hässliche Mädchen, das später zur Schulkönigin wird und den tollsten Typen abbekommt. Willkommen Mary Sue!

Eine junge Frau (noch keine 25 Jahre), die eine höhere Position in einer Hierarchie eingenommen, bereits zwei Hochschulabschlüsse in der Tasche hat und noch die besten Ideen, um die Lage für, die zum Beispiel marode Firma zu retten, hat, wird irgendwann langweilig und unglaubhaft. Man wird sie auch nicht mehr schreiben können, weil es nicht mehr geht – diese Figur wird irgendwann handlungsunfähig, weil es keine Steigerung mehr gibt. Sie kann nicht mehr entwickelt werden. Dann steht der Roman und man muss sich eine Lösung einfallen lassen – Mary Sue streichen und dem Charakter wirkliches Leben einhauchen.

Das ist das typische Beispiel eines langweiligen Protagonistin. Was will man mit der noch machen? Sie kann alles und rettet dann auch noch die Firma. Seid mal ehrlich, wen interessiert denn das?

Bei der Vergangenheit sollte man darauf achten, nicht zu sehr in Klischees abzudriften. Das eine oder andere kann gern verwendetet werden, aber zu viel tötet das Interesse an der Figur. 

 

Entwicklung während des Plottens oder die Zukunft

Wenn man plottet, ist es ratsam, sich die Entwicklungsschritte des Charakters aufzuschreiben. Er soll ja nicht gleichbleiben, sondern an den Aufgaben wachsen und etwas lernen. Natürlich braucht er am Anfang kein vollkommener Idiot zu sein, außer es gehört zur Handlung, weil das auch wieder unrealistisch ist, aber er muss nicht Mr. bzw. Mrs. Perfect sein. Der junge Selfmademultimillionär mit der perfekten Figur und den Manieren des altenglischen Gentleman, der sich in das Mädchen aus dem Kiosk verliebt … Na gut. Wohin will sich der Mann noch entwickeln? Er ist bereits perfekt, weiß, was es heißt, zu arbeiten, hat sich seine Millionen selbst erarbeitet und noch dazu perfekte Manieren. Willkommen Gary Stu.

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Entwicklung ist das, was während der Geschichte passiert, der ganze Ärger, der einer Figur in den Weg gelegt wird, den sie lösen muss, um weiter zu kommen, sei es jetzt etwas Neues lernen, einen Ort aufsuchen, an den sie sonst nie gehen würde, Abenteuer bestehen … Vielleicht treibt ihr diese Entwicklung auch nur ein paar blöde Angewohnheiten aus oder schickt sie durch eine schwere Krankheit … es gibt viele Wege, um die Entwicklung einer Romanfigur voranzutreiben. Am besten geht das mit unperfekten Leuten, Charakteren mit vielen Ecken und Kanten, die sich auch mal streiten, die vielleicht irgendwann über ihren Schatten springen und einen Fehler zugeben, die auch einmal auf die Schnauze fallen dürfen, aber dann wieder aufstehen und weitermachen. Wie lange sie dafür brauchen, hängt ganz von der Idee für die Geschichte ab.

 

Aussehen

Für mich ist das weniger wichtig, aber für den einen oder anderen Leser. Ich halte mich hier an die Devise: Weniger ist mehr.

Die Leser können sich sehr gut vorstellen, wie eine Figur aussieht. Ich empfehle, nur die markantesten Merkmale aufzuzeigen und im Roman nicht zwingend die Beschreibung in einem Stück zu schreiben, vielleicht sogar noch vor dem Spiegel stehend. Das ist öde.

Markant sind die Haarfarbe, Augenfarbe (wenn es denn schon sein muss), die Figur, besondere Merkmale wie Narben, Muttermale, Tattoos, Einschränkungen wie fehlende Gliedmaßen oder ein Rollstuhl, Gehhilfe, Brille, Hörgerät (sofern es zu sehen ist).

 

 

 

Ein Charakter mit körperlichen Einschränkungen ist bestimmt interessanter als ein perfekter, allerdings gibt es auch hier zu bedenken, dass man sich vorher ausreichend informiert, sonst hat man den stereotypen Rollstuhlfahrer, den man eigentlich nicht wollte. Die Leser goutieren das in den seltensten Fällen.

 

Sprechen

Nicht zum Aussehen, aber es gehört unumstößlich zur Figur dazu, ist die Stimme bzw. die Sprache. Damit meine ich jetzt nicht nur die Muttersprache, sondern auch die Art und Weise, wie jemand spricht. Ist die Stimme hoch, tief, polternd, piepsig, ängstlich, forsch … gehört das zum Charakterausdruck dazu? Stottert die Person? Hat sie sonstige Eigenheiten beim Sprechen? Vor jedem wichtigen Satz ein Räuspern? Lieblingswörter? Gibt es typische Gesten, die immer wieder auftauchen?

Miranda hatte so eine dumme Angewohnheit, die mir wahnsinnig auf die Nerven ging. Sobald sie den Mund aufmachte, hatte ich das Bedürfnis, mir Watte in die Ohren zu stopfen. Dabei ging es nicht darum, was sie sagte, sondern wie. Ich sollte sie mögen, schließlich ist sie meine große Schwester. Aber zwischen sollen und können liegt ein haushoher Unterschied.
Sie stand schon vorne am Sarg, faltete die Hände und hielt die Trauerrede. Ich hätte mir für Mutter etwas Schöneres gewünscht als Mirandas krähende Stimme und diese gezierte Dehnung einzelner Wörter. Arme Mutter. Noch heute tut mir das in der Seele weh. Ich hörte nicht mehr zu, erst als mich Peter mit dem Ellbogen anstieß, achtete ich wieder darauf. “Wir müssen sie aufhalten, Gerald. Sie fängt eben an, die Dreckwäsche zu waschen …” Noch während er redete …

Anhand des Beispiels wissen wir, wie Miranda spricht und es macht sie unsympathisch. Mit der Stimme kann man also viel anfangen, ohne zu viel zu beschreiben, denn Stimme kann man zeigen, man muss sie nicht nur erzählen. 

 

Wünsche

Vielleicht hat der Charakter irgendwelche Träume und Wünsche für die Zukunft? Dann muss das unbedingt in die Geschichte eingebaut werden.

 

Beispiel

Name: Elisa
2. Name: Gabriela
Nachname: Nemec
Rufname: Elisa oder Eli
Wohnort: Kleinstadt im Alpenvorland; lebt im Wohnhaus der Eltern, das sie geerbt hat und zu einer kleinen Pension ausbauen möchte.
Beruf: Lehrerin für Kunst und Turnen
Charaktereigenschaften: eingebildet, kurz angebunden, besonders den Kollegen gegenüber, streng, bei den Schülern wenig beliebt, warmherzig (wenn jemand Hilfe braucht, weist sie den selten ab, verlangt aber Dankbarkeit)
Hobbys: reiten, Schifahren, Eislaufen, laufen, schwimmen, tanzen, malen

Vergangenheit:
ist in der Kleinstadt aufgewachsen, die sie nie richtig verlassen hat. Studium in der nächst größeren Stadt. Bereits als Kind hat sie viel Sport getrieben. Die Eltern hatten einen Bauernhof. Sie ist ein Einzelkind und sehr behütet aufgewachsen, hat am Hof geholfen und war oft mit den anderen Schulkindern unterwegs. Sie war normal integriert, ging in die Jungschar (katholischer Kindertreff), war Sternsingerin und später auch Jungscharleiterin. Sie hat Flöte und Gitarre gelernt, es aber nicht intensiv betrieben, dafür malt sie gern. Während des Studiums hat sie sich mehr und mehr zurückgezogen, fast nur noch gemalt und getöpfert und auch bei Wettbewerben mitgemacht, bis sie eines Tages damit ziemlich hart auf dem Boden der Tatsachen gelandet ist und sie jemand noch zusätzlich in den Dreck getreten hat (Das kann man weiter ausbauen und als zusätzlichen Konflikt in die Geschichte einbauen). Neider gibt es immer, aber das hat sie nie verstanden. Das hat sie sehr verletzt, ebenso die Auflösung der Verlobung durch ihren damaligen Freund Raimund Winter (der kann, muss aber nicht in der Geschichte auftauchen, ev. nur als Randerwähnung), der mir nichts dir nichts ins Ausland verschwunden ist.

Entwicklung:
Sie braucht Geld, um ihren Traum von der Pension zu verwirklichen, denn sie würde auch gern das eine oder andere Pferd in den Stall stellen, der natürlich, ebenso wie der Rest des alten Bauernhauses renoviert und umgebaut werden muss. Als Grundschullehrerin verdient sie nicht so viel, als dass ihr die Bank sofort einen Kredit geben würde. Grundstücksverkauf kommt für sie nicht in Frage, nicht, wenn sie Pferde halten möchte.

Sie wird aus sich hinausgehen und mehr auf andere Leute zugehen müssen, so wie sie es früher getan hat. Crowdfunding ist ihr Mittel der Wahl.

Lass die Geschichte beginnen …

 

 

Die Charakterentwicklung hat die eine oder andere Tücke, damit aus einer stereotypen Mary Sue eine glaubhafte Maria Susanne Mittermeier wird. Die grobe Figur, diese stereotype Grundmasse in eine glaubhafte und vielleicht sogar kontroverse Plastik zu verwandeln, erfordert einiges an Fingerspitzengefühl. Aber Übung macht bekanntlich den Meister und wie ich immer wieder betone, was dem einen ein Juwel, ist dem anderen nicht einmal einen ersten Blick wert.

 

VIEL SPASS BEI DER CHARAKTERERSTELLUNG!!!

Coververöffentlichung

Es ist so weit und ich zeige euch das Cover meines neuen Buches. Ich habe es absichtlich schlicht gehalten, weil es sich dabei um ein Sachbuch handelt.

Bild by H. K. Ysardsson

Es steht noch einiges an Arbeit an, besonders der Buchsatz wird viel Zeit kosten, allerdings habe ich für die meisten Seiten bereits ein Layout mit der Hand skizziert, so weiß ich jetzt schon, was wo hinkommt und wie formatiert wird.

Mehr zum Buch gibt es in kommenden Beiträgen.

Die folgenden Bilder zeigen die Versuche bis zum fertigen Bild, das ich später noch etwas digital bearbeitet habe, um es anschließend ins Cover einzufügen. Es handelt sich dabei um Aquarelle.

Ein Buchstabe, ein Wort – ein Romananfang

Der erste Satz, der den Leser anspringen und in die Welt der Geschichte entführen soll, darüber haben die meisten Autoren schon gegrübelt, während sich die Leser daran erfreut haben und sich in eine spannende Geschichte haben entführen lassen oder sie haben das Buch gelangweilt zur Seite gestellt. Allerdings schreibe ich hier über Kunst, da gibt es kein Schema F, nachdem man vorgehen und den perfekt sitzenden Anfang schreiben kann. Romananfänge von hochgejubelten Romanen haben mich zum Gähnen gebracht, während wieder solche, die mir gefallen, anderen nur ein müdes Kopfschütteln entlockt.

Photo by Andrea Piacquadio on Pexels.com

Trotzdem möchte ich diesem Thema etwas Zeit widmen.

Ist aller Anfang schwer?
Was macht einen guten Anfang aus?

Der Anfang soll packen, das Interesse wecken, ohne zu viele Informationen preiszugeben. Die Schwierigkeit besteht im Packen. Jedes Genre verlangt andere Wörter, jeder Leser will anders entführt werden, deshalb gibt es dafür auch kein Patentrezept, allenfalls Empfehlungen und von mir ein paar Beispiele, selbsterdacht natürlich.

Was am wichtigsten ist und man sich ab dem ersten Buchstaben vergegenwärtigen sollte, jeder Anfang ist ein Anfang – die Kunst steht nicht am Beginn, sondern am Ende, durchgehalten zu haben.

Beispiele:

Unruhig wälze ich mich im Bett herum. Die Schwüle im Zimmer lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Aber mehr als die Hitze, quälen mich die Gedanken an den vergangenen Tag. Warum musste sich Isabella einmischen?

Das ist ein einfacher Satz, der bereits etwas verrät, nämlich die Tageszeit, es ist höchstwahrscheinlich Nacht. Aber er lässt viele Fragen offen: Warum wälzt sich diese Person herum? Wer ist „ich“ Mann oder Frau? Was hat es mit dem Einmischen auf sich? Das sind Dinge, die zumindest die Neugier wecken, selbst dann, wenn sie den Leser noch nicht ganz am Schopf packen und mitziehen.

Das ist auch mit einer Ortsangabe möglich.

Ich lebte auf Ko Samui in einer Hütte am Strand. Das war ein Leben! Voller Farben und Frohsinn. Wir haben am Strand gesungen, Schmuck hergestellt und am Markt verkauft. Einfach herrlich. Bis sie aufgetaucht ist. Sie, die alles verändert hat.

Das sagt uns, dass dieser Ich in Thailand am Strand gelebt hat. Wir sehen die Insel vor uns, traumhafte Strände, Touristen, das Meer, hören die Wellen rauschen … Irgendwo taucht in den Gedanken vielleicht sogar ein Tempel auf und Elefanten. Aber wer ist dieser Ich? Ein Thai, ein Aussteiger, Hippie, Mann oder Frau? Warum lebt die Person nicht mehr dort? Wer ist die Frau? Fragen, die im folgenden Roman beantwortet werden und das auf hoffentlich spannende Art und Weise.

Die Schwierigkeiten begannen, kurz nachdem der Captain den Befehl zum Andocken an die Raumstation gegeben hatte.

Hier wissen wir, dass es sich um ein Sci-Fi-Abenteuer handeln muss. Es gibt Problem. Welcher Art sind sie? Wer hat die Probleme? Wer erzählt?

Anfänge können auch anders gestaltet werden. Man kann mitten ins Geschehen springen, wie schon in den Beispielen erwähnt oder eben eine Örtlichkeit erwähnen und dem Leser bereits Einblick in das Setting und die Umwelt geben.

Ein Anfang wird weniger schwer, wenn man sich überlegt, dass man ihn nach dem Ende des Schreibprozesses noch überarbeiten muss/kann/soll/darf, denn nichts kommt bereits perfekt aufs Papier und was dem einen Heiligtum, ist dem anderen Müll. Natürlich ist es nicht so krass, aber es läuft alles auf eine Geschmacksfrage hinaus.

Ich wage zu behaupten, es ist alles erlaubt, solange der Autor dahintersteht und es dem Leser gefällt. Trotzdem habe ich einige Punkte zusammengestellt, die man beim Schreiben bzw. nachher beachten kann.

Am besten ist es, einfach einmal anzufangen und aufzuschreiben, was einem in den Sinn kommt. Es bringt nichts, schon vor dem ersten Wort, nach dem perfekten ersten Satz zu suchen. Den Leser packt man auch noch im 2. oder 3. Satz, vielleicht sogar erst nach der ersten Seite. Es gibt so viele verschiedene Leser und Geschmacksrichtungen, wie es Schriftsteller gibt.

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Was man unbedingt beachten sollte:

  • keine Klischees
  • nicht zu viel Informationen
  • zu große Spannung, die im Folgenden kaum gehalten werden kann
  • zu viel Action mit massenweise Adjektiven (aber das gilt generell und besonders für Actionszene; zu viele Adjektive rauben die Spannung. Hier sind kurze, schnelle, verbenreiche Sätze die bessere Wahl. Dazu werde ich bestimmt noch einen Beitrag schreiben.)
  • das Genre beachten
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Man kann mit einer wörtlichen Rede beginnen, aber sofort ein empörtes Aufschreien oder Wutattacken zu äußern, die später mit zu viel Informationen gewürzt werden, ist meistens nicht so prickelnd.

Was bildet die sich nur ein!“, brüllte die Frau los, warf ihre Handtasche zu Boden und rauschte auf ihr Haus zu, wo gerade diese eingebildete Kuh stand und sich mit ihrem Mann unterhielt. Na, die würde gleich etwas erleben! Und erst er, dieser betrügerische Ehemann! Sie nahm sich vor, gleich morgen zum Rechtsanwalt zu gehen. Aber vorher würde dieses Weibsstück noch ihr blaues Wunder erleben! Ihr Gesicht geriet für einen Moment zu einer mörderischen Maske.

Das verrät einfach viel zu viel. Warum wird hier bereits der betrügerische Ehemann erwähnt?

„Dir werde ich es gleich zeigen!“, schrie er erbost und ballte die Hände zu Fäusten. Jetzt würde es gleich krachen. Zornig war er aus dem Bett gesprungen und hastete in den Garten hinaus, um den irren Nachbarn ordentlich zu verdreschen. Es war hoch an der Zeit, dass er dem Kerl eine Abreibung verpasste und gerade eben war er auf 180.

So anzufangen ist zwar ein Einstieg mitten in die Handlung, aber ich finde es unschön und unklar. Abgesehen von der handelnden Person und ihrer aktuellen Gefühlswelt wissen wir nichts. Es ist schwammig und klischeehaft. Hier könnte man anders anfangen.

Der Spaziergang war so gemütlich gewesen. Die Sonne schien und alles war gut. Sie freute sich auf zuhause. Irgendwo war sogar der Ruf eines Kuckucks zu hören, was in den letzten Jahren sehr selten geworden war. Lustig schwang Jana ihre Handtasche und schaute zu ihrem Haus. Noch war sie einige Meter von der Gartenpforte entfernt. Niemand sonst hielt sich auf der Straße auf, die Gärten waren leer. Sie stutzte, blieb stehen und beugte sich etwas nach vorne, um zwischen zwei parkenden Autos hindurch schauen zu können. Da stand eine fremde Frau an ihrer Haustür und redete mit ihrem Mann! Was war da los? Ihre Laune sank in den Keller und das Misstrauen stieg an. Langsam schlich sie näher, querte unbemerkt die Straße und blieb an der Hainbuchen-Hecke stehen, damit sie alles beobachten konnte. Nun erkannte sie die Frau. Die war gar nicht fremd!

Jens wollte schlafen. Die Nachtschichten im Krankenhaus waren anstrengend genug. Da war er erst vor einer Stunde ins Bett gekrochen und dann fing dieser übereifrige Gartenfreund von Nachbar an, den Rasen zu mähen! Dem würde er es noch zeigen, dachte er und stopfte sich die Ohropax in die Gehörgänge, um endlich Ruhe zu haben. Bevor er einschlief, dachte er sich einen Racheplan aus. Stunden später weckte ihn das schrille Klingeln der Türglocke.

Infodumping tötet jede Spannung, besonders am Anfang. Es ist auch nicht gerade neu, sie in eine Rückblende zu packen, während der Charakter aus dem Fenster schaut oder in einen Spiegel. Am Anfang der Geschichte erzählt das zu viel und zerstört für den Fortgang die aufkommende Spannung. Besser ist es, das zu unterlassen und Hintergrundinformationen auf andere Art und Weise preis zu geben. Der Leser will nicht alles auf einmal wissen, er will auf eine Reise mitgenommen werden.

Diese Weisheit funktioniert in jedem Genre, jedoch sollten die Worte und Handlungen der Zielgruppe angepasst sein.

Fazit am Schluss:

  • Spannung aufbauen, ohne zu viel zu verraten (Spannung heißt hier nicht gleich Action).
  • Neugier erzeugen, Fragen aufwerfen, die der Leser beantwortet haben möchte.
  • Protagonist(en) vorstellen.
  • Ein wenig das Setting und die Welt präsentieren.
  • So wenig Klischee wie möglich.
  • Und das wichtigste: Schreiben, schreiben, schreiben … nicht lange nachdenken, machen!

Die ganzen Regeln, alle Tipps, die ich hier gegeben habe, greifen erst zum Schluss – beim Überarbeiten. Es sind keinesfalls in Stein gemeißelte Gesetze und daher auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Und die Geschmackssache darf man nie außer Acht lassen.

Der erfolgreiche Autor macht sich keine Gedanken um den Anfang, er fängt an und bringt seinen Roman zu Ende. Mit erfolgreich meine ich diejenigen, die die Arbeit vollenden, nie aufgeben, weiter machen, auch wenn es unbequem wird.

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