
Wie es geht, lernt man bereits in der Schule.
Es gibt im Groben drei Teile, in denen sich die Spannung aufbaut.
- Einleitung
- Hauptteil
- Schluss
Es klingt einfach, ist es zum Teil auch, wenn man ein paar Kleinigkeiten mit großer Wirkung beachtet.
Als Schriftsteller will man seine Leser nicht langweilen, man will sie auf eine spannende Reise mitnehmen. Das hat nichts mit Action, Zaubereien, Verfolgungsjagden usw. zu tun.
In der Einleitung gibt man dem Leser bereits einen kurzen Einblick ins Kommende. Aber wirklich nur kurz. Man stellt das Setting, die Hauptperson und den Hauptkonflikt vor. Das ist im romantischen Liebesroman gleich wie in der actionreichen Spaceopera oder dem gnadenlosen Thriller. Hier muss man den Leser neugierig machen, ihn zum Weiterlesen animieren.
Im Hauptteil kommt es zum Höhepunkt dieser Spannung und damit des Konflikts. Da geht es dann Schlag auf Schlag.
Am Schluss löst sich die Spannung, der Konflikt wird gelöst.
Wie kommt es jetzt dazu, dass der Leser etwas spannend findet und weiterlesen möchte?
1. Die Geschichte/der Plot an sich muss spannend sein.
Eine langweilige Geschichte wird niemand lesen wollen. Es braucht einen Konflikt, etwas muss passieren, egal, ob man sich fragt, ob die Protagonistin den Protagonisten am Schluss heiratet oder ob der Raumschiffpilot den Außenposten mit dem Heilmittel rechtzeitig erreicht oder vielleicht der Ritter die Prinzessin zur Frau bekommt, weil er so tapfer gekämpft hat. Man wird keinen Leser mit einer Geschichte fesseln, die keinen Konflikt hat. Selbst das kleine Häschen, das sich im Garten verirrt und verzweifelt seine Mama sucht, indem es alle Tiere danach fragt und dabei allerhand lernt, ist interessanter als das Häschen, das von der Mama an die Hand genommen wird und alles gezeigt bekommt.
Da kommen wir gleich zum nächsten Punkt
2. Identifikation mit der Hauptfigur
Der Leser muss eine Beziehung zur Hauptfigur (den Hauptfiguren) aufbauen können. Er muss sich in die Hauptfigur hineinversetzen können, mit ihr mitfiebern. Das gelingt am besten, wenn man plastische, gut greifbare Charaktere entwickelt. Siehe dazu auch hier “Mary Sue, Gary Stu und die Gefahren der Figurenentwicklung. Die Beziehung zu den Romanfiguren entwickelt sich mit der Zeit. Selbst mit unsympathischen Charakteren lässt sich auf diese Weise etwas erreichen, sie brauchen nur eine Seite, die die Leser anspricht, etwa, er fällt trotz aller Bemühungen immer wieder auf die Nase, steht auf und macht weiter, auch wenn er dabei sein Umfeld nervt, terrorisiert und dem Leser somit andere Charaktere näher bringt.
3. Andeutungen
Es muss nicht immer alles sofort erklärt werden. „Der Tag fing toll an und sie trällerte ein Liedchen. Noch wusste sie nicht, was sie erwartete.“ Was geschieht im Laufe des Tages? Ist es gut oder schlecht? Andeutungen zeigen auf ein zukünftiges Ereignis, von dem noch nicht bekannt ist, wann es eintreten wird und was genau passiert. Auf jeden Fall wirkt es ungut und man möchte wissen, was weiter geschieht. Oft reicht ein Nebensatz aus, um diese kleine Spannung aufzubauen. „Er wusste nicht, ob er den nächsten Tag noch erleben wird.“ Das heißt, es steht noch etwas an, ein Kampf vielleicht, ein Unfall? Wird er überleben? Spannung heißt ja nicht zwingend, dass etwas Ungutes geschehen muss.
4. Der Konflikt an sich
Weil wir in jeder Szene einen Konflikt haben sollten, braucht jede einen kleinen Konflikt, selbst dann, wenn er unbedeutend erscheint, dient er der Figurenentwicklung.
Wir unterscheiden:
- äußere Konflikte: Hier wird der Konflikt dem Charakter von außen aufgezwungen, z. B. verschiedene Interessensgruppen treffen aufeinander.
- innere Konflikte: Diese rühren aus einer inneren Einstellung her, der Protagonist muss sich zwischen zwei Übeln entscheiden oder gegen sein Gewissen handeln.
Beides erzeugt Spannung, selbst dann, wenn es nur darum geht, wohin es in den Urlaub geht und ob auf dem Weg noch die Eltern der beiden besucht werden sollen.
5. Unerwartete Ereignisse/Wendungen:
Der Hauptcharakter stirbt, das ist natürlich eine völlig krasse Wendung. Tolkien hat das ganz gut mit Gandalf in Moria gelöst und seiner Wiederauferstehung als Gandalf der Weiße. Das geht aber auch mit kleinen Dingen, z. B. der Schulhofbösewicht pflegt eine Straßenkatze gesund. Der kurz angebundene Chef, der alle Mitarbeiter kurz hält und kaum mehr als ein genervtes Brummen für sie übrig hat, versorgt zuhause seine alten Eltern (natürlich mithilfe einer Pflegekraft) oder er hilft unerwartet einem Bettler oder einem verdienten Mitarbeiter aus der Patsche. Auch wenn es nicht so klingt, daraus lassen sich Konflikte bauen, die Mitarbeiter bzw. Mitschüler wissen nichts von diesen Aktionen, so kann man Mitleid mit einem an sich unsympathischen Charakter erzeugen, von bzw. über den man mehr wissen möchte.
6. Die Zeit drängt, Zeitnot … alles ist zu spät!
Die Uhr tickt. Das erzeugt immer Spannung. Die Bombe, die entschärft werden muss, der Zug, der in letzter Sekunde doch noch erwischt wird, der Flug mit Verspätung und damit die Angst, sein Ziel nicht mehr rechtzeitig zu erreichen, das lahmende Pferd, die herein brechende Nacht, mit der Ungeheuer kommen (siehe Pitch Black, der Film spielt mit der Angst vor der Dunkelheit). Ein älteres Beispiel wäre Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“, Phileas Foggs Reise werden dauernd Hindernisse in den Weg gelegt und alles verzögert sich.
7. Was? Wo ist der Schluss? Cliffhänger! Die Auflösung kommt später
Ein Cliffhanger lässt den Leser sozusagen in der Luft hängen. Entwickelt hat sich das im 19. Jahrhundert als Zeitschriften Fortsetzungsromane veröffentlicht hatten, die sich großer Beliebtheit erfreut hatten. Der Cliffhanger endet immer an einer spannenden Szene, damit der Leser voller Erwartung der Fortsetzung entgegenfiebert. Das funktioniert aber nicht nur bei Fortsetzungsromanen, es geht auch am Kapitelende. Der Leser weiß nicht, wie es weiter geht, was der Protagonist noch durchmachen muss, um aus dieser Lage zu entkommen und wird garantiert weiterlesen wollen.
8. Inhaltliche Tricks und Kniffe

Ein gutes Mittel, um Spannung zu erzeugen, ist es, Informationen vorzuenthalten. Das geht auf verschiedene Arten:
Der Leser und der Held wissen nichts. Z. B. Ein Angriff durch eine verhüllte Person. Es kommt zum Kampf, dabei bleibt unklar, wer der Angreifer ist und was er mit dem Helden vorhat. Wird er ihn töten, verletzen, verschleppen? Oder ein Dieb bestiehlt den Protagonisten und entwendet eine Kleinigkeit, von dem nicht klar ist, welchen Wert es hat. Wer ist der Dieb, was will er mit der Beute? In beiden Fällen wissen weder der Leser noch der Held mehr über das, was gerade passiert.
Jemand beobachtet den Protagonisten aus einem Versteck heraus und ist nur kurz zu sehen, aber nicht zu erkennen. Warum beobachtet er den Helden? Was ist sein Motiv?
Der Leser weiß Bescheid. Das ist das natürliche Mitfiebern, die Angst vor dem Kommenden. Eine verschlossene Tür, hinter der sich etwas Gefährliches befindet oder ein magischer Wald, der alles Lebende frisst – der Protagonist geht völlig ahnungslos darauf zu und gerät so in Schwierigkeiten. Als Leser möchte man ihn aufhalten, ihn warnen und muss natürlich lesen, wie die Situation ausgeht, wie der Protagonist damit umgeht. Huch … jetzt will ich es auch wissen. Dabei werde ich es nie erfahren, weil ich mir diese Kurzbeispiele schnell mal aus den Fingern sauge.
Der Held weiß Bescheid. Der Protagonist reitet auf eine Wiese zu und schaut sich dabei immer wieder sorgenvoll um. Nichts ist zu sehen, nur ein blauer Himmel, summende Hummeln und blühende Wiesenblumen. Aber der Protagonist wird von einem Gefühl der Dringlichkeit heimgesucht, er möchte weg von diesem idyllisch anmutenden Flecken. Was zum Henker ist dort los? Das geht auch in anderen Genres: Die Protagonistin schaute ihrem Ehemann in die Augen, der lächelte zuversichtlich und gab ihr einen Kuss, den sie zögernd erwiderte. Sie liebte ihn, war sich aber in dem Moment, als sie seine warmen Lippen auf ihren spürte, nicht mehr so sicher, ob das auf Gegenseitigkeit beruhte. Warum ist sie sich nicht sicher? Was weiß sie? Geht er fremd, der kleine Teufel?
9. Struktur
Der Roman sollte einen Spannungsbogen haben, der allerdings nicht permanent steigen soll, nur um dann am Ende abrupt abzufallen. Um die Spannung aufrecht zu erhalten und den Bogen nicht zu überspannen, empfiehlt es sich, diese auch abfallen zu lassen, sowohl den Leser als auch den Protagonisten zu Atem kommen zu lassen. Niemand läuft stundenlang durch, ohne auch nur einmal ein klein wenig zu rasten und zu ruhen. So brauchen auch die Protagonisten einmal eine Pause, den Anschein der Ruhe und die Sicht auf das Ende, das dann natürlich nicht kommt, weil der Hauptkonflikt noch nicht gelöst ist. Vielleicht hat auch die Lösung eines kleinen Nebenkonflikts für die trügerische Sicherheit gesorgt, den Glauben, dass nun alles gut ist und dann – Bäng! Da ist die Spannung wieder.

Der Wechsel zwischen Spannung und Entspannung verhindert Langeweile, denn das dauernde Hetzen und Laufen, ständige Angst und Bedrohung, sich jagende Feuergefechte nutzen sich ab, wenn sie ständig präsent sind.
Der Held darf nach der Actionszene gern auf ein Bier gehen und dort trifft er unerwartet jemanden oder es ereignet sich etwas anderes – er wird niedergeschlagen, entführt … oder sonst etwas Unerwartetes, mit dem niemand gerechnet hat.
10. Einsatz der Sprache
Für Beschreibungen eignen sich lange, verschachtelte Sätze ganz gut, allerdings nicht, wenn man Action bzw. Spannung erzeugen möchte. Das heißt nicht, dass ein spannender Satz kurz sein muss, er sollte dann eben aus keinen Verschachtelungen bestehen, sondern aus aneinander gereihten, verknappten Hauptsätzen. Es hängt auch davon ab, ob die Spannung laut oder ruhig sein soll.
Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Er spürte es sogar in den Schläfen. Kurz lehnte er sich an die Mauer und schloss die Augen. Lauschen, befahl er sich. Doch er hörte nur das eintönige Pochen seines Herzens. Babam. Babam. Babam. Waren das Schritte? Babam. Er öffnete die Augen, schaute sich um und lief weiter. Fehler! Fehler, kreischte sein Unterbewusstsein. Zu spät.
Oder
Er warf keinen Blick zurück, das brauchte er nicht. Ihre Schritte konnte er nicht überhören. Er hetzte weiter auf die Baumgruppe zu, sprang über einen schmalen Graben, warf sich hinter eine dicke Eiche, zog seine Waffe und brachte sich in Position. Das ist jetzt ein etwas längerer Satz, der dennoch nichts an Eile vermissen lässt. Einschübe würden hier eine Verlangsamung bewirken, so wirkt es dringend. Ich brauche nichts weiter zu beschreiben. Dem Verfolgten ist es völlig egal, ob der Baum eine schöne Rinde hat, sich die Blätter verfärben oder ein Reh in der Nähe steht. Ebenso geht es dem anderen, der an die Mauer gelehnt lauscht und in sein Verderben rennt. Will ich es schnell, eignet sich das zweite Beispiel, will ich nach jedem Hauptsatz einen Abschluss, weil der Protagonist sich versteckt, dann ist das erste Beispiel besser.
Kurze Absätze erzeugen ebenso Tempo wie kurze Sätze, lange Absätze eignen sich wieder für Ruhephasen.
Man kann Spannung durch viele Elemente erzeugen, so auch durch Dialoge, die in der Regel schneller gelesen werden als langatmige Beschreibungen, die natürlich auch nötig sind, um ein Bild von allem zu bekommen.
Eine gezielte Abwechslung zwischen rasantem Erzählen und längeren Beschreibungen erzeugt immer wieder neue Spannung und lässt wenig Raum für Langeweile beim Leser.
Wenn ihr noch etwas wisst, das hier fehlt, dann schreibt es doch bitte in die Kommentare. Ich freue mich auch auf eure Sicht der Spannung und wie ihr das macht. Natürlich freue ich mich auch über ein Like, wenn der Beitrag gefallen hat.
Viel Spaß beim Erzeugen von Spannung!
