Neuerscheinungen 2020

LUDUS VITAE

Historischer Roman

Unruhen und Blut vergießen herrschten in Judäa zu jener Zeit. Diese zwangen den Kaiser zu drastischen Maßnahmen. So schickte er seinen Sohn Titus in die Provinz Syria, um dort die Ordnung wiederherzustellen, die bereits seit zu vielen Jahren fehlte. Diese Provinz, besonders in Judäa, entwickelte sich zu einem brennenden Ölfass und wenn es nicht rasch und nachdrücklich gelöscht wurde, drohte die Lage zu eskalieren.

Doch das alles berührte die anderen Provinzen nur insofern als sie Soldaten für die Legion bereitstellen und höhere Steuern zahlen mussten. Das Leben der einfachen Menschen außerhalb Syrias blieb davon weitestgehend unbelastet, so auch das Geschehen auf dem Sklavenmarkt in Ostia und in anderen Gebieten des Reichs. Auch die Gladiatorenspiele fanden sich immer noch großer Beliebtheit und der Gladiatoren gab es genug, wie auch Reiche und für eine Wiederwahl werbende Politiker, die auf dieses Instrument der Bekanntmachung zurückgriffen und sich beim Volk beliebt machen wollten. Gleichzeitig wurden die Menschen von den Missständen, die fast an allen Orten herrschten, abgelenkt.

Kassandra, Tochter der Lydia, stand auf einem Podest des Dirnenmarktes und kam sich kläglich vor. Seit der Haushalt ihres Herrn Titus Tiberion vor einem Mond aufgelöst worden war, wartete sie hier auf ihren Weiterverkauf. Titus hatte es verabsäumt, vor seinem Tod ein Testament zu machen und da es keine gesetzlichen Erben gab, fiel sein Vermögen an den Staat, dazu gehörte auch Kassandra. Ihr hochtrabender Name und ihre frühere Tätigkeit als Vorleserin erwiesen sich als ebenso hinderlich für den Verkauf wie ihr Aussehen. Erst als registrierte Lupa wurde sie gekauft, in einen geschlossenen Wagen gesetzt und weggebracht. Sie wusste nicht wohin der Weg ging und war so verängstigt, dass sie nicht zu fragen wagte. Aber es schien ihr besser zu sein als dieses demütigende Warten. Ab und zu, wenn die Angst zu groß wurde, fragte sie sich, warum sie dem letzten Wunsch ihres Herrn nicht Folge geleistet hatte. Es wäre so einfach gewesen und sie müsste sich jetzt nicht mehr ängstigen. Aber damals waren ihr Lebenswille und ihre Neugier stärker gewesen als die Angst vor dem Unbekannten.

Endlich, nach vielen Tagen Fahrt, durfte sie aus dem stinkenden Verschlag steigen. Sie war am Ziel der Reise angelangt und staunte. Das Haus schien für sich allein auf der sanften Erhebung zu thronen. Es war von Pinien umgeben, in einiger Entfernung war ein kleiner Wald zu erkennen. Aber nicht nur die Villa zog ihren Blick an, sondern auch die zahlreichen Nebengebäude. Es gab Ställe, Werkstätten und ein sehr großes Gebäude, aus dem der meiste Lärm drang, über dessen Tor stand „Ludus Atticus“ geschrieben. Dorthin dirigierte sie ihr Käufer, ob er auch ihr neuer Herr war, wusste sie nicht, er sprach nicht mit ihr. Am großen Tor standen zwei Wachposten, die sie in Empfang nahmen. Noch immer ängstlich, überlegte sie, was sie hier wohl erwarten mochte. Aber sie hatte nicht viel Zeit zum Denken. Durch ein weiteres Tor ging es über einen Hof, an vergitterten Türen vorbei, dann durch einen Säulengang und schließlich gelangte sie auf einen mit Sand und Stroh bedeckten, sehr großen rechteckigen Hof. Hier kämpften halbnackte Männer mit dem Gladius und schrien sich gegenseitig an. Kassandra warf einen Blick in ihre Richtung und schaute schnell wieder weg, als die Männer in ihrer Tätigkeit aufhörten und sie musterten. Ihr Kleid war zu kurz und sie hatte keine Palla, damit sie ihren Kopf bedecken konnte, deshalb blickte sie beschämt zu Boden. Früher achtete sie stets darauf, ehrbar gekleidet zu sein. Nun merkte sie, wie ihr die Röte in die Wangen fuhr. Alle Bildung, die Titus Tiberion ihr angedeihen hatte lassen, war nutzlos. Diese Erkenntnis traf sie hart und brachte ihr Bild von sich und der Welt ins Wanken.

Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie ein rotblonder Hüne auf sie zukam, dann jedoch in einem steilen Winkel abbog und auf den Säulengang zulief. Sie hörte ihn brüllen: „Verdammt, Marcus …!“ Den Rest verstand sie nicht, weil sie durch einen weiteren Torbogen in die Therme geschoben wurde. Eine alte Frau stand da und lachte meckernd, als sie Kassandras ansichtig wurde. Die Alte stellte, sich als Flavia vor und war hier allem Anschein nach für das ‚leibliche Wohl’ der Gladiatoren zuständig gewesen. Nun nahm sie sich nur noch des Badehauses an, wie sie Kassandra erklärte und war froh über die Ablöse. Die junge Sklavin verstand noch immer nicht was sie hier sollte, darum erklärte ihr Flavia noch einmal alles in allen Einzelheiten. „Aber ob das was wird mit dir, da habe ich so meine Zweifel. Das hier sind richtige Männer, die wollen keine kleinen Mädchen, die wollen Weiber. Was hat sich der Meister nur dabei gedacht? Nun, wir werden sehen, was ich aus dir machen kann. Auf jeden Fall werden wir deinen Namen ändern. Kassandra geht nicht, das ist viel zu prächtig für eine wie dich.“ Gleichmütig ließ sie das Gerede über sich ergehen, auch der genauen Musterung der Alten hielt sie stand. Erst als ihr neuer Herr das Badehaus betrat, blickte sie zu Boden. Kaum sah er sie, fing er auch schon an zu schreien: „Gavin! Du hattest recht …“ Damit lief er hinaus, knallte die Tür zu und kam wenige Minuten später mit dem Hünen zurück. „Ich hab dir gleich gesagt, du kannst Septius nicht trauen. Der hat dir die billigste Ausschussware mitgebracht“, wetterte der Rothaarige. „Macht nichts. Ihr werdet euch schon irgendwie arrangieren. Jetzt kann ich sie nicht mehr zurückgeben. Aber Septius wird noch von mir hören, das kann ich dir sagen. Schickt mir hier ein blasses Nichts und verkauft sie mir als erfahrene Lupa. Ich fürchte, die weiß nicht mal, was sie hier soll!“ Kassandra wand sich unter den verächtlichen Worten und den abschätzigen Blicken der Männer. Flavias Gemecker trug auch nicht gerade dazu bei, dass es ihr besser ging. Sie blinzelte die Tränen weg, fasste sich ein Herz, schlimmer konnte es nicht mehr kommen, dachte sie, und sagte: „Herr – es tut mir leid, wenn ich nicht deinen Vorstellungen entspreche.“ Ihr Gesicht war vor Scham rot angelaufen, was die blonden Locken noch mehr betonte. Die Haare waren das einzig Schöne an ihr, alles andere war zu kantig. Sie hatte schmale Hüften und ihre Brüste waren kaum erwähnenswert. Doch Septius hatte sie als Prachtweib angepriesen. „Das nächste Mal fahre ich selbst nach Ostia“, brummte er, ohne auf Kassandra einzugehen. „Das wird besser sein, Herr“, wandte die glucksende Flavia ein. „Denn ich werde niemanden mehr bedienen.“

„Mit dir hat keiner gesprochen! Sieh zu, dass sie halbwegs was hermacht. So wie sie jetzt aussieht … Nein, mach was.“ Der Herr schüttelte missmutig den Kopf, nahm den finster schauenden Gavin am Ellbogen und zusammen verließen sie das Bad.

Kassandra sah ihnen enttäuscht nach. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, als der Herr eingetreten war, aber bestimmt nicht, er würde über sie reden, als wäre sie dumm oder nicht hier. Auch Flavia behandelte sie von oben herab. Aber was konnte man von einer alten Sklavin anderes erwarten? Diese scheuchte Kassandra zu den Becken mit warmem Wasser, ließ sie untertauchen und sich waschen. Danach wurde sie geschminkt, neu gekleidet und parfümiert. Kassandra fühlte sich dabei immer unwohler. „Auf die Fascia könntest du verzichten, du hat ja nichts“, murmelte Flavia und verknotete das Band, das sie Kassandra um die Brust geschlungen hatte, auf ihrem Rücken. Darüber kam eine etwas zu bunte und zu kurze Tunika. „Mach nicht so ein Gesicht. Es ist einfache Arbeit, die du machst. Na ja, du wirst auch die Quartiere der Gladiatoren in Ordnung halten und die Therme hier hast du auch über, aber so viel ist das nicht.“ Kassandra hatte das Gefühl, einen Bienenschwarm im Kopf zu haben, alles summte und brummte und sie bekam keinen klaren Gedanken zusammen.

Bereits seit drei Jahren kämpfte Gavin Tettius unter dem Pseudonym Myrdin, der Rote für die Gladiatorenschule des Marcus Atticus. Horrende Spielschulden hatten ihn dazu getrieben, sich an die Arena zu verkaufen. Jetzt nahm er das Holzgladius wieder auf, machte einige halbherzige Schwünge damit, senkte den Arm und blickte kopfschüttelnd zur Tür des Badehauses. „Was ist Myrdin? Ist das die neue Lupa?“, fragte Tullius, der Retiarius. Gavin nickte. „Komm, lass uns an deiner Verteidigung arbeiten. Das Netz ist schwer und du sollst nicht aussehen, als würde es dir Mühe machen, einem Angreifer auszuweichen“, sagte er schließlich und verwickelte Tullius in einen Trainingskampf. Er gab dem Retiarius einige Tipps zur Verbesserung der Beinarbeit, dann setzte er sich in den Schatten, trank Wasser und starrte missvergnügt auf die andere Seite des Hofs. Er war neugierig, was Flavia aus dem gerupften Huhn, wie er die Neue bei sich nannte, machen würde. Als die Schatten länger wurden, stand er auf und suchte den Gladiatorenmeister. Höflich bat er um eine Unterredung. „Geht es noch immer um die Lupa?“

„Ja, Herr.“

„Du weißt, du musst mich nicht Herr nennen, Gavin, ich schätze dich und du hast mir bislang sehr gute Gewinne beschert. Nicht mehr lange, mein Freund, und du bist deine Schulden los.“

„Ich weiß deine Freundschaft zu schätzen, Marcus, und danke dir dafür. Aber was diese kleine Wasweißich angeht, da habe ich kein gutes Gefühl. Es wäre besser, wenn du sie loswirst oder für irgendwelche Hausarbeiten einsetzt.“

„Ich habe keine andere. Flavia ist noch da, aber die ist nun wirklich schon zu alt dafür.“

„Und die Neue ist nicht mehr als ein Küken!“, ereiferte sich nun Gavin. „Ich fürchte das wird nicht gut gehen.“

„Mach dir nicht zu viele Gedanken. Ich habe vorhin Septius aufgesucht. Er hat mir versichert, sie war die Mätresse eines alten Mannes. Das ist nur Getue. Geh wieder, ihr könnt sie nach dem Abendessen ansehen.“ Gavin brummte etwas, was Marcus nicht verstand und schritt eilig davon. Er glaubte nicht, hier eine gerissene kleine Dirne vor sich zu haben. Aber er konnte auch irren, wie er sich eingestehen musste. Müde und wütend auf sich selbst, weil er sich für diese Unbekannte einsetzen wollte, ging er in sein Quartier. Nachdem er sie gesehen hatte, war ein verloren geglaubtes Gefühl in ihm hochgestiegen, das er tunlichst vermeiden wollte, denn mit seinem Entschluss als Gladiator seine Schulden abzutragen, hatte er für sich festgestellt, die Liebe passt nicht in sein Leben. Jetzt hatte er diese blasse dünne Erscheinung vor Augen, wie sie den Herrn um Verzeihung für ihre Person bat und sein Herz klopfte wie wild. Irgendwie musste er sie aus seinen Gedanken verbannen, doch immer wieder hatte er diese feine, gebildete Stimme im Ohr und sah die sanften Wellen ihres blonden Haars, das bis zu den Hüften reichte.

WELTENBAUEN Leitfaden für Sci-Fi und Fantasy-Autoren

Sachbuch

Leseprobe

„Nur die eigene Vorstellungskraft setzt uns Grenzen, wenn wir sie aufweichen, wird die Fantasie grenzenlos.“

Über den Sinn dieses Buchs

Jeder der gern Fantasy und Science-Fiction schreibt, wird früher oder später mit dem Thema der Weltenerstellung konfrontiert. Woran sollte man dabei denken?

Es gibt einige Punkte zu beachten, die ich im Folgenden näher beschreiben werde. Dabei lege ich keinen Wert auf ein umfassendes Ratgeberbuch oder Vollständigkeit, dieses Thema ist wie ein Fluss und ändert sich ständig. Es soll lediglich auf ein paar Dinge aufmerksam machen, die gern einmal vergessen werden, aber eine Geschichte so viel authentischer machen und dabei helfen, eine lebens-, liebens- oder hassenswerte Welt zu erstellen, in der die Helden über Stock und Stein zum Höhepunkt gejagt werden. Vielleicht ergeben sich durch den Weltenbau neue Konflikte oder Sichtweisen, die in der Geschichte einen weiteren Faden aufrollen oder einen offenen logisch schließen.

Weltenbau ist Spaß am Gestalten, pure Fantasie, manchmal lästig und oft unerlässlich, wenn die erschaffene Welt der Erde nicht ähnlich sein soll.

Ich wünsche viel Freude bei der Reise durch die Fantasie.