Wortbedeutungen, Verwendungen und Synonyme Teil 1

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In unregelmäßigen Abständen, wie es sich eben ergibt, möchte ich hier einige Wörter vorstellen, die manchmal falsche Verwendung finden oder die gern mit unpassenden Synonymen bedacht werden.

Heute widme ich mich drei Wörtern. Ich erkläre sie und gebe Verwendungsbeispiele und Synonyme, falls sie passend sind. In diesem Fall wird man weniger Umschreibungen brauchen, wie ich finde, weil sie meistens treffend sind – bei richtiger Anwendung.

scheinbar versus anscheinend

Diese beiden netten kleinen Wörter bedeuten nicht das Gleiche, wie man oft fälschlich annimmt – sie drücken sogar das Gegenteil dessen aus, was gemeint ist.

Anscheinend deutet die Vermutung an, dass etwas so ist, wie es scheint, also den Anschein erweckt, dem Anschein nach so ist.

Synonyme: augenscheinlich, offensichtlich, offenbar, wahrscheinlich, wohl.

Scheinbar drückt aus, dass etwas nur dem äußeren Eindruck nach so ist, es sich aber tatsächlich anders verhält.

Synonyme: vermutlich, vermeintlich, vorgeblich, angeblich, nur zum Schein.

Beispiele:

Diese Lektion zieht sich scheinbar in die Länge.

Der Täter ist scheinbar 20 Jahre alt.

Luise trägt anscheinend nichts zur Diskussion bei, ihre Kommentare sind sehr inhaltsleer.

Sie trat in den Flur. Es war dunkel und still. Anscheinend waren schon alle nachhause gegangen.

Anscheinend hat der Mitspieler endlich kapiert, worum es geht. (naja, hier dürfte scheinbar auch passen)

Anscheinend hat Terry gewaltig einen an der Waffel.

Beispiele mit falscher Anwendung:

Sie drückte ihre Nase am Schaufenster platt. Scheinbar war sie an den Spielsachen dahinter sehr interessiert.

Martin hatte scheinbar ein Auge auf Daniela geworfen, ständig lächelte er ihr zu.

Die Klasse war anscheinend am Unterricht interessiert. (Okay, das könnte man auch als Oxymoron gelten lassen, besonders, wenn es sich um einen Haufen desinteressierter Teenager im besten Trotz… ich meine in der Pubertät handelt.)

Der Duden sagt dazu Folgendes:

Mit anscheinend wird die Vermutung zum Ausdruck gebracht, dass etwas so ist, wie es erscheint.

  • Herr Maier ist anscheinend krank.

Dies bedeutet also: Es sieht so aus/hat den Anschein, als ob Herr Maier krank wäre; vermutlich ist er es tatsächlich.

Das Adjektiv scheinbar besagt, dass etwas nur dem Schein nach, nicht aber in Wirklichkeit so ist, wie es sich darstellt. Dieses Wort steht im Gegensatz zu „wirklich“, „wahr“, „tatsächlich“:

  • Die meisten Abstürze passieren in scheinbar harmlosem Gelände.
  • Er ist scheinbar krank.

Scheinbar gibt es einmal als Adjektiv, da lässt es sich steigern (scheinbar, scheinbarer und am scheinbarsten) und beugen. Als Adverb wird es oft mit anscheinend verwechselt. Hier gilt es wirklich auf die gewollte Aussage zu achten. In der Alltagssprache wird das gern vermengt. Gerade in veröffentlichten Texten kann das verwirrend sein.

Das nächste Wort wird von so manchem verpönt und als Füllwort abgetan. Ich halte es für nicht unwesentlich, um etwas deutlicher darzustellen.

eigentlich

Das arme und sehr oft missverstandene Wort … ihm wurde von einigen Leute die Daseinsberechtigung abgesprochen, weil es angeblich so gar nichts aussagt. Allerdings stimmt das nicht, denn eigentlich ist eigentlich in manchen Bereichen hilfreich.

Synonyme bei Verwendung als Adjektiv: tatsächlich, wirklich, faktisch, zugrunde liegend, echt

Synonyme bei Verwendung als Partikel: denn, überhaupt, im Übrigen

Synonyme bei Verwendung als Adverb: faktisch, ja, in Wirklichkeit

Beispiele für die vielfältige Verwendung des Wörtchens:

Es wird verwendet, um auf einen Sachverhalt hinzuweisen, der nicht bekannt od. nicht erkennbar ist.

Eigentlich gehe ich nicht gern in die Offiziersmesse (aber heute mache ich eine Ausnahme).

Eigentlich heißt er Vik Tami Jos‘Wennen, aber jeder nennt ihn den Cyborg.

Sandra ging eigentlich immer zu Woolworth einkaufen. Warum sie es an diesem Tag nicht tat, würde wohl immer ein Geheimnis bleiben.

Man kann es verwenden, wenn man von etwas überzeugt ist und einen Irrtum kaum für möglich hält:

Eigentlich müsste der Bericht jetzt fehlerfrei sein und durch die Zensur kommen.

Eigentlich müsste er jetzt zu Hause sein (normalerweise ist er um diese Zeit da).

“Leon läuft jeden Morgen, eigentlich müsste er jetzt auf seiner Laufstrecke sein”, meinte Doris. Dort fanden sie ihn auch, der Notarzt war schon vor Ort.

Das Wort hat die Bedeutung von genau genommen, strenggenommen.

Eigentlich darf ich es dir noch nicht sagen, aber ich fliege morgen nach New York, um vor der UNO Vollversammlung zu sprechen.

Eigentlich müsste ich heute eine Rede vorbereiten (aber ich gehe doch mit in die Oper)

Es wird eingesetzt, wenn eine Erwartung nicht erfüllt wird od. wurde:

Eigentlich müsste er schon längst hier sein (vielleicht ist etwas dazwischengekommen).

Eigentlich hätte sie auch anrufen können. (= ich bin enttäuscht, dass sie nicht angerufen hat)

Es finden Verwendung, um einen neuen Gedanken in ein Gespräch einzubringen:

Wie geht es eigentlich deinen Kindern?

Wie spät ist es eigentlich?

In der Form von ursprünglich

Eigentlich wollte ich schon um zehn Uhr gehen, und jetzt ist es Mitternacht.

Warum sie noch immer mit Peter flirtete, war ihr ein Rätsel, denn eigentlich war sie in Paul verliebt.

Die Mutter wollte eigentlich die Kinder um 19 Uhr von der Feier abholen, stattdessen fuhr der Vater.

Es wird verwendet, wenn man (nach einiger Überlegung) zu einem bestimmten Ergebnis kommt:

Eigentlich hast du recht.

Man kann damit eine Aussage einschränken.

„Hat jemand was dagegen, wenn das Mädchen mitkommt?“ – „Eigentlich nicht (aber ich finde die Idee nicht besonders gut).”

Eigentlich schon, aber wenn sonst keiner etwas dagegen hat.

Willst du mit der Achterbahn mitfahren? – Eigentlich schon, aber ich habe gerade gegessen.

in Wirklichkeit (obwohl es anders zu sein scheint)

Eigentlich heißt er Friedrich, Fritz ist nur sein Spitzname.

Eigentlich ist sie die Chefin, aber es kümmert im Grunde genommen keinen, solange sie die Gehälter bezahlt.

Nora ist eigentlich in Tim verliebt.

genau genommen

Eigentlich darfst du das Schiff ja nicht fliegen, aber ich mach mal eine Ausnahme.

Eigentlich sind die Behörden auf Syban recht zuvorkommend und arbeiten schnell, nur dieses Mal mahlen die Mühlen etwas langsamer.

Du hast dich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Eigentlich müsste ich dich für diesen Fehler abmahnen.

Im Sinne von, bevor sich etwas anderes ergeben hat

Terry wollte eigentlich nachhause gehen, da traf er Alex und ging mit ihm in die nächste Bar.

Ben suchte eigentlich nach seinen Schlüsseln, dabei fand er ein altes Foto und versank in seinen Erinnerungen.

Es ist relativierend + Konjunktiv II drückt aus, dass man etwas vermutet, sich aber auch irren kann.

Eigentlich müsste der Trupp jetzt zurück sein.

Ich warte schon seit Stunden auf das Ergebnis des Tests, eigentlich müssten die Prüfer mit der Auswertung schon fertig sein.

drückt aus, dass eine Frage aus freundlichem oder höflichem Interesse gestellt wird.

Wie geht es ihm eigentlich jetzt?

Wo wohnst du eigentlich?

Wie ist deine neue Freundin eigentlich so?

Wie war eigentlich dein Urlaub?

drückt in Fragesätzen einen Vorwurf aus.

Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?

Was machen Sie eigentlich hier?

Wie stellst du dir eigentlich vor, wie das funktionieren soll?

Was soll das eigentlich?

leitet (oft nach einer Pause im Gespräch) ein neues Thema ein, das einem spontan eingefallen ist.

Wer ist eigentlich die Frau dort drüben? Hast du sie schon einmal gesehen?

Eigentlich wollte ich noch etwas anderes mit dir besprechen.

Eigentlich könnten wir mal wieder …

Sag mal, wie spät ist es eigentlich? –> nur um mal zu betonen, wie lange der Beitrag geworden ist 😉

Ich hoffe, euch hat der Beitrag nicht zu sehr gelangweilt und ihr fandet ihn hilfreich. Grammatik und Rechtschreibung sind eben Themen, über die man sich ab und zu Gedanken machen muss, sobald man in der schreibenden Zunft tätig ist.

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